Martina Kohrn
Ein wenig mehr Mut in Konflikten

Neulich im Kommunikationstraining. Ein Teilnehmer meinte: „jetzt haben wir uns so gut verstanden, die Übungen haben richtig Spaß gemacht. Was wäre bloß gewesen, wenn wir uns nicht hätten leiden können. Wie wäre das Seminar dann verlaufen?“ Meine Antwort darauf kann dann nur sein: „Dann hättet ihr für den Ernstfall proben können“.
Miteinander reden und Konfliktlösungen können so einfach sein. Wenn wir uns mögen, wenn die Beziehung stimmt. Dann kann ich Meinungsverschiedenheiten sehr leicht und häufig sogar erfolgreich und zu beidseitiger Zufriedenheit austragen. Anstrengend wird es, wenn ich einen Konflikt habe mit jemanden, gegebenenfalls noch mit jemanden, den ich nicht mag. Oder wenn ich lange gewartet habe, bis ich etwas sage. Immer nur heruntergeschluckt habe. Bis es richtig brodelt und ich platze.
Wenn der Ernstfall eintritt – und sei es nur im Seminar – wird es kompliziert. Eine „schwierige Situation“ steht vor der Tür. Und dann kann ich schauen, ob ich mich traue meine Meinung zu vertreten, etwas zu sagen. Zu unterscheiden „was ist mir wichtig“, „wie sage ich etwas“. Und das Ganze noch wertschätzend und direkt.
Ich mag es also, wenn es in Seminaren brenzlig wird. Wenn es einen Konflikt gibt. Wenn Dinge – ob größere oder kleinere Angelegenheiten – miteinander ausführlich besprochen werden müssen und es etwas zu klären gibt. Die wenigsten von uns mögen Konflikte
Die wenigsten sind mit dem „ich bleibe immer ruhig und gelassen - Gen, egal ob mir etwas gegen den Strich geht oder nicht“ ausgestattet.
Ich hatte in vielen Jahren, in denen ich der Jugendhilfe gearbeitet habe, genug Möglichkeiten mich auseinanderzusetzen, zu streiten, zu üben. Ich hatte Zeit zu üben mich durchzusetzen. Mit Pubertierenden nicht immer einfach.
Mit Kollegen und als Teamleitung ebenfalls nicht immer. Mal flogen richtig die Fetzen. Mal kommt es zu langen, anstrengenden, aber ertragreichen Diskussionen, die aber für beide Seiten eine neue Perspektive eröffnen.

Mal braucht es auch keine Diskussion, sondern ein schlichtes sich durchsetzen. Für die Jugendlichen habe ich mich als Sparringspartnerin gesehen. Mit mir können Sie üben sich zu reiben, auseinanderzusetzen. In den Auseinandersetzungen mit den Kollegen bin ich persönlich gewachsen. Ich habe eine Menge über mich und mein eigenes Konfliktverhalten gelernt, ohne Frage.
In Seminaren sehe ich es heute auch noch so. Ich habe bis jetzt noch nicht mit Absicht einen Konflikt angezettelt. Aber ich weiß, dass es Seminare mit Schauspielern gibt, die genau dieses tun. Denn der geschützte Raum sollte dazu da sein, um sich mutig auszuprobieren. Es ist wichtig ein Feedback zu bekommen und etwas Neues, was ich so noch nie gemacht oder gesagt habe, zu testen.
Dazu Gedanken, die dabei helfen, mutiger in Konflikte zu gehen:
Streit verbessert die Beziehung
Mit Streit meine ich nicht sich ankeifen, hintenherum reden. Sondern sich klärend auseinanderzusetzen. Wie ein Gewitter, das in der Luft liegt. Das angenehme und frische Luft bringt, wenn es vorbei ist.

Harmonie ist was für Anfänger
Das stand es mal auf einer Postkarte, die ich im Buchladen gesehen habe. Wens es nur Harmonie gibt schadet das. Das bedeutet auf Dauer, dass mit meiner eigenen Meinung, dem was ich möchte und meinen Ansichten hinter dem Berg halte. Niemand kann auf Dauer immer einer Meinung sein. Ent
Entscheidungen werden besser getroffen, da alle Argumente und Interessen ausgetauscht wurden.
Ich habe die Wahl…
…auch, ob ich Konflikte anspreche oder nicht. Wir sind erwachsen und treffen unsere Entscheidungen. Wenn ich mich dafür entscheide einen Konflikt nicht anzusprechen trage ich die Verantwortung hierfür. Wenn es weiter schwierig bleibt muss ich akzeptieren, dass die Situation so ist wie sie ist. Niemand kann die Garantie dafür übernehmen, dass „alles wieder gut“ wird, wenn Sie zu Ihrem Konfliktpartner gehen und ein Gespräch starten. Aber immerhin besteht eine Chance.
Konfliktfähigkeit bedeutet nicht immer alles vollkommen zu machen. Manchmal reicht es schon den ersten Schritt zu machen.